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Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen zur steuerlichen Berücksichtigung von Jubliäumsrückstellungen(6/2000)

08.06.2000

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 10.11.1999 eine Vorlage zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der in § 52 Abs. 6 EStG und in § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 EstG festgelegten Vorschriften zur Bildung von Rückstellungen für Jubiläumsleistungen an das Bundesverfassungsgericht gerichtet. Der BFH ist der Auffassung, dass die derzeitige Regelung gegen Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verstößt und damit verfassungswidrig ist, da sie "eine Gruppe von Normadressaten, nämlich die Unternehmer, die Jubiläumszusagen erteilt haben, gegenüber anderen Normadressaten - Unternehmen, die aus anderen Gründen Rückstellungen bilden - trotz übereinstimmender finanzieller Leistungsfähigkeit benachteilige".

Anlass der Anfrage ist die Klage eines Unternehmens, das zum 31.12.1988 - wie in den Jahren davor - Rückstellungen für Jubiläumszahlungen gebildet hatte. Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde diesen Rückstellungen mit Hinweis auf das in 1988 verabschiedete Steuerreformgesetzes (StRG) 1990 die steuerliche Anerkennung verwehrt, während sie zum 31.12.1987 in voller Höhe anerkannt wurden. Das StRG 1990 sieht in § 52 Abs. 6 EStG weiter vor, dass für Stichtage nach dem 31.12.1992 Rückstellungen nur für ab dem 01.01.1993 erdiente Jubiläumsleistungen gebildet werden können, sofern die weiteren Voraussetzungen (Schriftform etc.) erfüllt sind. Diese Regelung wurde sinngemäß auch in das Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/2000/2002 übernommen.

Damit ergibt sich folgende Rechtslage:

  • für die Zeit bis zum 31.12.1987: Hinnahme solcher Passivposten;
  • für die Veranlagungszeiträume 1988 bis 1992: Rückstellungsverbot, verbunden mit der gesetzlichen Verpflichtung, schon gebildete Rückstellungen in Höhe von mindestens je einem Drittel aufzulösen;
  • für die Zeit nach dem 31.12.1992: Zulassung der Rückstellungsbildung für den nach diesem Zeitpunkt erdienten Teil dieser Anwartschaften.

Demgegenüber sind in der Handelsbilanz gem. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB stets Rückstellungen (für ungewisse Verbindlichkeiten) für die gesamte Verpflichtung zu bilden.

Nach Auffassung des BFH fehlt für diese unterschiedliche Behandlung eine sachliche Rechtfertigung, so dass ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot vorliegt. Er legt dem BverfG nahe, dahingehend zu entscheiden, dass auch für Stichtage nach dem 31.12.1987 bis zum 31.12.1992 Jubiläumsrückstellungen voll anzuerkennen sind. Eine Prüfung der Verfassungskonformität der ab dem 01.01.1993 geltenden Regelung ist nicht Gegenstand der Vorlage, da sie im Streitjahr noch nicht galt.

Konsequenzen für unsere Kunden

Bis zur Entscheidung des BverfG besteht für unsere Kunden kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Wir empfehlen jedoch allen Unternehmen, die ihren Mitarbeitern Jubliläumsleistungen zugesagt haben,

  • gegen alle noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide seit dem 31.12.1987 diesbezüglich Einspruch zu erheben
  • soweit noch vorhanden, Personalbestände für die Jahre 1988 bis 1992 für eine etwaige Neuberechnung aufzubewahren.

Für Stichtage nach dem 31.12.1992 können die vollen Jubiläumsrückstellungen unseren entsprechenden Gutachten entnommen werden, da ab diesem Zeitpunkt dieser Wert zur Bestimmung der steuerliche anerkannten Rückstellung heranzuziehen war.

Sobald das BverfG sich geäußert hat, werden wir Sie an dieser Stelle informieren und die sich ergebenden Konsequenzen darstellen.